Breakfast on Pluto: Spiegelungen, Spiegelungen

Nicht erst in „Peacock“, sondern bereits fünf Jahre zuvor ist Cillian Murphy für eine Rolle in Frauenkleider geschlüpft. Als Patrick „Kitten“ Braden spielt er in der herzerwärmenden Coming of Age-Tragikomödie „Breakfast on Pluto“ (Neil Jordan, 2005) einen jungen Mann im Irland der 1970er Jahre auf der Suche nach seiner Mutter und letztlich auch sich selbst. Der kleine Patrick, der bei einer Pflegemutter aufwächst, merkt bereits früh, dass er sich in Frauenkleidern und -umgebungen sehr viel wohler fühlt als in typisch männlichen Gefilden (hier: Fußball, Kriegsspiele). Was nach großer Dramatik klingt – ein uneheliches Kind, das 1958 im ländlichen Irland aufwächst und sich dann auch noch im falschen Geschlecht gefangen fühlt – ist von Neil Jordan doch wunderbar leicht und heiter inszeniert.

Als junger Mann ist Patrick nach London aufgebrochen, wo er seine vor Jahren verschwundene Mutter zu finden hofft – eine Reise, die ihn zwar zum gewünschten Ziel führen wird, aber auch noch eine ganz andere, unerwartete Wendung nimmt. Sein Vater, nach dem er nie gesucht hat, findet zu ihm und kann sich endlich zu seinem Sohn bekennen. Dieses Zusammentreffen von Vater und Sohn hat Neil Jordan in dreifacher Hinsicht als Spiegelung inszeniert:

Breakfast on Pluto/Sony Pictures Home Entertainment (eigener Screenshot)

Kitten – in Frauenkleidern, geschminkt, mit Perücke – arbeitet mittlerweile im Londoner Rotlichtviertel. Vor einem halbdurchlässigen Spiegel inszeniert er sich für die zahlende Laufkundschaft, von der er, außer deren Stimmen, nichts weiter wahrnehmen kann. Ein deutlicher Bezug auf eine der ersten Szenen des Films, in der der junge Kitten zur Beichte bei eben jenem Mann gegangen ist, der sich nun als sein Vater zu erkennen gibt. Denn auch der Beichtstuhl steht für eine Intimität zwischen zwei Menschen, die nicht gleichberechtigt ist. Hier geben sich Menschen vor einem Priester die Blöße, der lediglich zuhört und nichts von sich preisgibt. Sie wissen, dass der Priester sie womöglich an ihrer Stimme erkennen wird und anhand ihrer Schilderungen einordnen kann. Eine Situation, die Neil Jordan nun umgedreht hat, quasi gespiegelt: In dem Etablissement, in dem Kitten arbeitet, geben sich Menschen ebenfalls die Blöße und auch dieses Entblößen funktioniert nur einseitig. Statt Absolution ist nun Geld die Währung – gegen Geld präsentieren die Prostituierten intime Details ihres Körpers vor einem anonym bleibenden Gegenüber.

Dieser spezielle Fall ist jedoch in vielerlei Hinsicht anders. Denn nun sitzt der Priester auf der anderen Seite des Spiegels und er gibt sich – endlich – nach Jahren des Schweigens und Leugnens als der zu erkennen, der er wirklich ist: Kittens Vater. Kitten hat dies schon früh gemerkt, aber nie weiter forciert. Doch nun lauscht er der Beichte seines Vaters, so wie dieser ihm einst die Beichte abgenommen hat. Neil Jordan nutzt den Spiegel, um hier die Situation der Beichte umzukehren: Nicht Kitten präsentiert sich nun im Austausch gegen Geld – der Vater gibt sich Kitten gegenüber zu erkennen und es ist Kitten, der seinem Vaters die Beichte abnimmt und schließlich auch die Absolution erteilen wird. Hier zeigt sich eine weitere Spiegelung: Father, wie ein Priester im Englischen genannt wird, ist schließlich auch die Bezeichnung eines biologischen Vaters.

Und auch eine dritte – offensichtliche – Spiegelung hat Neil Jordan in diesem Bild angelegt: Kitten sieht im Spiegel zwar nur sich selbst, da er von seiner Seite aus nicht durch ihn hindurchblicken kann. Aber sieht er hier nicht trotzdem auch seinen Vater, wenn er sein eigenes Spiegelbild betrachtet? Ein Kind trägt auch immer Charakteristika, Wesenzüge, Ausdrucksweisen seiner leiblichen Eltern in sich und spiegelt diese mal mehr, mal weniger in seinem Aussehen und Auftreten. Es ist, als ob Vater und Sohn in diesem Bild nach Jahren der Trennung ineinander fallen. Kitten hat seine Mutter gesucht und seinen Vater gefunden.

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