Rachel Sophia Wolpert

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Peacock: Das Psychogramm eines zutiefst verstörten Mannes

Dieses Bild aus „Peacock“ (Michael Lander, 2010) ist eine der letzten Einstellungen des Films und in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Es zeigt eine Frau, die eigentlich ein Mann ist, der sich mit Frauenkleidern, Make-up und einer Perücke wiederum gleich zwei Identitäten übergestülpt hat. In diesem Bild kulminiert die schauspielerische Höchstleistung Cillian Murphys in diesem besonderen Film:

Peacock/Kinowelt Home Entertainment (eigener Screenshot)

Er ist John Skulpa, ein zutiefst verstörter junger Mann, der äußerst zurückgezogen und weitestgehend ohne soziale Kontakte in einem großen Haus wohnt und große Schwierigkeiten hat, mit anderen Menschen zu interagieren. Bis zum Tod seiner Mutter lebte er mit dieser zusammen und wurde von ihr offenbar psychisch schwer misshandelt.

Und er ist zugleich auch Emma Skulpa, die der Öffentlichkeit verborgene Ehefrau Johns. Durch einen Zufall erfahren die Nachbarn und mit ihnen die Stadt von der Existenz einer Frau in Johns Leben, die so ganz anders ist als ihr Ehemann, nämlich den Menschen zugewandt und fähig, Beziehungen zu anderen aufzubauen. Als Emma kann John auch das Haus, in dem er lebt, nach außen öffnen und die Außenwelt hineinlassen, indem sie die Vorhänge aufzieht, die John sonst immer hermetisch verschlossen hält.

Was sich erst im Laufe des Films herauskristallisiert: Die Kleider und Perücke Emmas stammen von Johns verstorbener Mutter. Wenn John die Frauenkleider anzieht, streift er sich also nicht nur eine, sondern gleich zwei weibliche Identitäten über. Oder ist Emma etwa so, wie auch seine Mutter nach außen aufgetreten ist? Dies lässt der Film bewusst offen.

In dieser letzten Einstellung fällt Emma bzw. Johns Mutter sozusagen zurück in John. So wie sie vor den nun wieder verschlossenen Vorhängen in sich zusammensackt, so nimmt sie hier gleichsam wieder die überwunden geglaubte Identität Johns an. Und zugleich ist John auch Emma bzw. seine Mutter. Er hat begriffen: Er wird diese beiden Identitäten auch weiterhin künftig in sich tragen und sie nicht ablegen können wie die Kleider, die er trägt.